Gedenkfeier zur Reichspogromnacht, 09.11.2012, Heilbronn,
Synagogengedenkstein, Alfred Huber Heilbronner Friedensrat

Begrüßung

Werner Winter hat mich als Mitglied des HNer Friedensrats gefragt, ob ich bei der diesjährigen
Gedenkfeier „Wider das Vergessen“ mitwirke. Das möchte ich gerne tun, obwohl es schwer fällt:
eine Feier zu einem so schrecklichen Anlass, der einen auch noch nach 74 Jahren mit Scham
erfüllt.

Mein Name ist Alfred Huber, ich begrüße Sie, verehrte Damen und Herren, liebe Freunde, im
Namen der Veranstalter.

Insbesondere begrüße ich unseren Redner, Bernhard Löffler, Regionsvorsitzender beim DGB.
Bernhard Löffler geht seit 40 Jahre gegen nazistisches Gedankengut an, ist aktiv u. a. bei den
Naturfreunden und bei der VVN. Wir freuen uns über die Gruppe Marbacher mit ihrer Musik unter
dem Titel „Hier nicht dort! - Lieder gegen das Vergessen“, sehr passend zur Gedenkfeier
anlässlich der Pogromnacht 1938.

Kürzlich fiel mir ein Buch in die Hand, von Arthur Reis, die Lebensgeschichte eines HNer Juden,
der Ecke Wilhelmstraße/Vordere Rosenbergstraße – wie es damals hieß – aufwuchs. Arthur Reis
schildert ungemein lebendig und sympathisch: sein Elternhaus, es stand beinahe in Sichtweite von
hier hinterm Wollhaus, die große Familie und Verwandtschaft, Schule und Schulkameraden, die
jüdische Gemeinschaft mit ihren verschiedenen religiösen und politischen Richtungen. Arthur Reis
wanderte 1933 nach Palästina aus.

Viele andere waren auch im November 1938 noch in Heilbronn. Frühere Nachbarn von Arthur Reis
von der Rosenbergstraße, der Klarastraße hier gegenüber oder von der Titotstraße um die Ecke.
Sie mussten erleben, wie in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 ihre stolze Synagoge in
Brand gesetzt und durch das Feuer zerstört wurde. Sie mussten erleiden, wie ihre Wohnungen
und Geschäfte demoliert, sie selbst misshandelt, gar nach Dachau abgeführt wurden.

In der Ausgabe vom 11. Nov. 1938 titelte das „Heilbronner Tagblatt", das Parteiblatt der NSDAP:

„Volkszorn gegen die Juden“

Drei Jahre später – 1942 – begannen für die verbliebenen Heilbronner und Sontheimer Juden die
Deportationen, am Wollhausplatz. Für fast alle endeten sie mit einem grausamen Tod bei Riga, in
Auschwitz oder anderswo.

Die geschundenen und später deportierten und ermordeten Heilbronner Juden waren doch
Nachbarn! Jüdische und nicht-jüdische Heilbronner waren Schulkameraden, Kollegen und
Freunde. Wer waren diejenigen, die anführten und kommandierten, die zerstörten, Brand stifteten
und schlugen, die verhafteten und abführten? Doch nicht nur anonyme Nazis.

Susanne Schlösser schreibt in einer kurzen Stadtgeschichte Heilbronn über die Tage im
November 1938: „Auf Befehl des NSDAP-Kreisleiters Richard Drauz versammelten sich 50 bis 60
führende und überzeugte Parteimitglieder in Zivil in der Harmonie und stellten Trupps von ca.
sechs Personen zusammen, die dann jeweils unter Führung eines ortskundigen NS-Funktionärs
zu 15- bis 30-minütigen Zerstörungseinsätzen aufbrachen.“ Richard Drauz war, wie andere Nazi-
Größen hier, gebürtiger Heilbronner.

Es war die Generation unserer Väter und Großväter, die dabei waren, die mitliefen oder sich auch
nur ruhig verhielten, wenige widerstanden. Natürlich ist es für uns heute einfach zu urteilen und zu
verurteilen. Wichtig ist, Folgerungen zu ziehen. Mir ist die Arbeit in der Friedenbewegung wichtig.

Hören wir, was die Marbacher musizieren und was anschließend Bernhard Löffler sagt.

Verabschiedung

Die Marbacher laden im Anschluss an die Gedenkfeier ein ins
Gewerkschaftshaus. Dort werden die MARBACHER ihre neuen Lieder „Hier nicht
dort – Lieder gegen das Vergessen!“ vortragen. Dabei sind alle Gastmusiker, die
an der Produktion ihrer neuen CD mitgewirkt haben, also ein besonderes und
seltenes Konzert. Die MARBACHER versuchen mit ihren Liedern gegen das
Vergessen anzusingen und für ein Stück Aufklärung zu sorgen.

Es würde Bernhard Löffler und die Musiker freuen, wenn noch viele von Ihnen /
von Euch uns nach dieser Veranstaltung ins Gewerkschaftshaus begleiten
würden.

Ich darf die Gelegenheit nutzen, Werner Winter  zu danken. Seit über 20
Jahren ist ihm das Gedenken am 9. November ein Anliegen, seit 20 Jahren liegt die
Organisation wesentlich auf seinen Schultern.

Dank auch an Karl-Heinz Schaak der ein der gleichen Zeit für mit seiner Anlage
dafür sorgt, dass man trotz des Verkehrslärms das Gesagte versteht.

Vielen Dank Euch beiden.

(es gilt das gesprochene Wort)